Interview mit
Thomas Rabe
Thomas Rabe
Thomas Rabe
Vorstandsvorsitzender von Bertelsmann
Vorstandsvorsitzender von Bertelsmann
Thomas Rabe
Vorstandsvorsitzender von Bertelsmann
Vorstandsvorsitzender von Bertelsmann
Im Interview spricht der Bertelsmann-Vorstandsvorsitzende Thomas Rabe über das Geschäftsjahr 2022, über die Lage des Unternehmens und seinen Weg in die Zukunft.
»Bertelsmann steht insgesamt exzellent da.«
Herr Rabe, wie bewerten Sie im Rückblick das Jahr 2022?
Die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen waren selten so schwierig und unübersichtlich wie im vergangenen Jahr. Ob Corona, der Ukraine-Krieg, die hohe Inflation mit massiv steigenden Energie- und Rohstoffkosten oder die abnehmende Kaufkraft – es gab selten so viele und so große Herausforderungen auf einmal. Und dennoch haben wir ein erfolgreiches Geschäftsjahr hingelegt.
Wie hat sich Bertelsmann denn im vergangenen Jahr geschlagen?
Bertelsmann hat gelernt, Krisen zu managen, und erweist sich als ein Fels in der Brandung. Wir hatten nie einen so hohen Umsatz, waren nie so finanzstark und hatten noch nie so viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Konkret hat Bertelsmann das Geschäftsjahr 2022 mit 20,2 Milliarden Euro Umsatz – dem höchsten unserer 188-jährigen Geschichte – abgeschlossen. Durch den deutlichen Umsatzanstieg konnten wir das Operating EBITDA mit 3,2 Milliarden Euro auf Vorjahresniveau stabil halten. Es überschritt zum dritten Mal in Folge die Marke von 3 Milliarden Euro. Das Konzernergebnis lag mit über 1 Milliarde Euro erneut über der Milliardenschwelle. Darüber hinaus ist Bertelsmann mit 15 Milliarden Euro Eigenkapital gut ausgestattet. Die Zahl der Beschäftigten wuchs um rund 20.000 auf 165.000. Bertelsmann steht also insgesamt exzellent da.
Und das trotz einiger 2022 nicht erfolgreich abgeschlossener Projekte …
Es ist richtig, dass wir nach vielen großen Erfolgen in der zurückliegenden Dekade zuletzt einige strategische Vorhaben nicht zum Abschluss bringen konnten. Leider. Das lag allerdings weniger an uns oder daran, dass es die falschen Pläne gewesen wären. Es lag an der ablehnenden Haltung der Wettbewerbsbehörden. So wurde die geplante Übernahme von Simon & Schuster durch Penguin Random House vom U.S. Department of Justice angefochten, was vom U.S. District Court bestätigt wurde. Und bei den TV-Zusammenschlüssen in Frankreich und in den Niederlanden waren die Behörden nicht bereit, die massiven Veränderungen in den Werbemärkten zu berücksichtigen – sie haben stattdessen an ihren historischen Marktdefinitionen festgehalten. Vielleicht waren wir mit unseren Vorhaben einfach zu früh.
Wie meinen Sie das?
Angesichts des Wettbewerbs mit den Tech-Plattformen steigt der Konsolidierungsdruck in den europäischen Medienmärkten. Die Konsolidierung wird stattfinden, früher oder später. Unsere strategischen Vorhaben hätten viel Wert geschaffen und uns im Wettbewerb entscheidend vorangebracht. Durch mehr Investitionen in Inhalte, unsere Streaming-Dienste und Technologie. Wir werden jetzt und bis auf Weiteres andere Wege gehen müssen, über Allianzen und Partnerschaften etwa in der Werbevermarktung, der Technologie, bei Daten und Inhalten.
Wie geht es strategisch weiter?
Wir verfolgen die richtige Strategie, die dazu geführt hat, dass Bertelsmann heute wachstumsstärker, internationaler, digitaler und diversifizierter ist. Wir konzentrieren uns auf unsere fünf strategischen Prioritäten – Nationale Media-Champions, Globale Inhalte, Globale Dienstleistungen, Bildung, Beteiligungen. Wir werden mit der Boost-Strategie Bertelsmann bis 2026 auf ein neues Umsatz- und Ergebnisniveau bringen. Bis dahin wird das Unternehmen insgesamt 5 bis 7 Milliarden Euro in neues Wachstum investieren. Seit dem Start von Boost haben wir bereits 2,2 Milliarden Euro investiert, allein 2022 waren es 1,6 Milliarden Euro.
Woher nehmen Sie die vielen Milliarden?
Die finanzielle Lage von Bertelsmann ist gut, unsere Verschuldung insgesamt gering und wir sind hochprofitabel. Wir haben erhebliche finanzielle Handlungsspielräume für unsere bestehenden Geschäfte und für neue Geschäfte, die wir in den nächsten Jahren aufbauen wollen.
Gibt es für Boost-Investitionen schon konkrete Beispiele?
Die Umsetzung von Boost ist konzernweit in vollem Gange. Die Beispiele reichen vom beschleunigten Ausbau des Streamings bei RTL über mehrere Zukäufe und Anteilsaufstockungen durch Fremantle bis hin zum Erwerb ikonischer Musikkataloge durch BMG oder zu kleineren Verlagsübernahmen durch Penguin Random House weltweit; sie reichen vom Ausbau und von der Automatisierung des Standorte-Netzwerks bei Arvato SCS über den Erwerb der Kontrollmehrheit an Afya bis hin zum Ausbau unseres globalen Fondsnetzwerks und zum Aufbau von Bertelsmann Next rund um die Schwerpunkte Digital Health, App Economy und HR Tech.
Welche finanziellen Ziele verfolgen Sie mit Boost?
Bis 2026 wollen wir dank Boost auf einen Umsatz von 24 Milliarden Euro, auf ein EBITDA von 4 Milliarden Euro und auf ein Konzernergebnis von 2 Milliarden Euro kommen. Das sind ambitionierte Ziele. Aber wir können sie erreichen.
Bevor es so weit ist – wie soll Bertelsmann Ende des laufenden Jahres dastehen?
Wir rechnen für 2023 mit einem moderaten bis deutlichen Umsatzanstieg sowie einem weiterhin stabilen operativen Ergebnis auf hohem Niveau. Das Umfeld bleibt herausfordernd, aber wir haben einen klaren Plan.